Barrierefreiheit im E-Commerce: Was Shopbetreiber jetzt beachten sollten

Wie wichtig Barrierefreiheit in unserer Gesellschaft ist, ist längst bekannt. Um einer Benachteiligung von Senioren und Schwerbehinderten auch online entgegenzuwirken, hat die EU 2019 den European Accessibility Act (EAA) ins Leben gerufen. Grundlage dafür ist Artikel 3 des Grundgesetzes: “Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.” Der EAA soll somit dazu dienen, die Grundrechte von behinderten Menschen zu sichern und dafür zu sorgen, dass sie nicht weiter im digitalen Handel benachteiligt werden. Alle Mitgliedstaaten der EU sind nun dazu angehalten bis 2022 gesetzliche Grundlagen hierfür zu schaffen. Bis 2025 müssen diese dann entsprechend umgesetzt werden.

  1. Barrierefreiheit in Zahlen: Wie viele Menschen sind betroffen
  2. Wer ist zur Barrierefreiheit verpflichtet?
  3. Maßnahmen, mit denen Ihr Online-Shop barrierefrei wird
  4. Barrierefreiheit: Eine Chance für Online-Shop-Betreiber

Barrierefreiheit in Zahlen: Wie viele Menschen sind betroffen

Laut einer Erhebung von Statista lag der Anteil der Schwerbehinderten in Deutschland im Jahr 2017 bei rund 7,8 Millionen Menschen. Geschätzt wird der derzeitige Anteil an schwerbehinderten Menschen auf rund 10 Millionen Menschen der deutschen Bevölkerung. Unter Blindheit oder einer Sehbehinderung leiden rund 4,5 % aller Behinderten, Sprach- und Sprechstörungen, Taubheit, Schwerhörigkeit oder Gleichgewichtsstörungen weisen 4,1% aller Behinderten auf. Der Großteil der Behinderungen ist jedoch nicht angeboren, sondern tritt im Laufe des Lebens auf.
Trotz Behinderung nehmen viele Betroffene das Internet in Gebrauch. Blinde Menschen nutzen es vor allem, um Wikis zu lesen (85%), sich als Benutzer zu registrieren (80%) und um Podcasts zu hören (60%). Gehörlose lesen ebenfalls am liebsten Wikis (61%), dicht gefolgt von dem Ansehen von Fotos (60%) und Videos (47%). Barrierefreiheit, egal ob im stationären Einzelhandel oder im E-Commerce, ist somit kein vernachlässigbares Thema und sollte dringend an Priorität gewinnen.

Wer ist zur Barrierefreiheit verpflichtet?

Der EAA legt fest, dass alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) dafür sorgen müssen, dass Online-Shops und der E-Commerce barrierefrei wird. Öffentliche Stellen müssen bereits seit September 2020 barrierefrei sein. Ob Sie als Unternehmen ebenfalls für Barrierefreiheit sorgen müssen, hängt von der Größe Ihres Unternehmens ab. Lediglich kleine Unternehmen mit weniger als zehn Angestellten und einem Jahresumsatz oder einer Jahresbilanzsumme unter 2 Millionen Euro müssen nicht handeln, eine Anpassung ist jedoch trotzdem ratsam. Außerdem betroffen von den Regelungen sind:

  • Hardwareprodukte und Betriebssysteme (Computer, Notebooks, Tablets, Smartphones und Zahlungsterminals)
  • Bankdienstleistungen (z.B. Bank- und Geldautomaten)
  • Elektronische Kommunikation, einschließlich der Beantwortung von Notrufen an die 112
  • Zugang zu audiovisuellen Medien (z.B. das Angebot der öffentlich-rechtlichen Medienanstalten und Video-on-Demand-Produkte)
  • E-Books
  • Personenverkehrsdienste (Flug, Bahn, Bus und Schiff)

Eine ausführliche Präsentation von der Bundesfachstelle Barrierefreiheit finden Sie hier.

Was Shopbetreiber beachten sollten

Die Web Accessibility Initiative hat die Richtlinien für barrierefreie Werbeauftritte, die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) zusammengestellt. Diese unterteilen sich in drei Stufen: A, AA und AAA. Stufe A umfasst hierbei grundlegende Maßnahmen, wohingegen Stufe AAA einen voll umfassenden barrierefreien Webauftritt beschreibt. Zudem wurden im WCAG vier Grundprinzipien festgehalten, die im Hinblick auf die Gestaltung eines barrierefreien Webshops zu berücksichtigen sind: Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit.

Konkrete Maßnahmen für einen barrierefreien Onlineauftritt

  1. Schriftart und -größe: Wählen Sie eine gut lesbare Schriftart und achten Sie auf eine angemessene Größe. Auch der Zeilenabstand und der Abstand zwischen den Buchstaben sollte groß genug sein. Typographien müssen außerdem zoombar sein. Zudem sollten Sie auf den Kontrast zwischen Text und Hintergrundfarbe achten.
  2. Einfach Sprache: Verwenden Sie leicht verständliche Formulierungen, besonders bei Ihren Menüpunkten und Artikelbeschreibungen. Menüpunkte sollten möglichst kurz formuliert werden. Die Menüstruktur sollte zudem übersichtlich sein, davon profitieren sowohl behinderte, als auch nicht behinderte Menschen.
  3. Verwirrende Elemente vermeiden: Autoplay und Pop-ups sind gern genutzte Elemente. Diese können jedoch dazu führen, dass Nutzer abgelenkt und aus dem Navigationsfluss gerissen werden.
  4. Sichtbarkeit von Bildern: Blinde Menschen und auch Suchmaschinen können Bilder nicht sehen. Daher sollten Sie unbedingt darauf achten, die Alt-Attribute auszufüllen und alle nötigen Informationen zum Bild anzugeben. Für ein besseres Verständnis sorgen zudem Bildunterschriften. Alternativtexte, HTML-Tags, semantisch hochwertige Link- und Buttontitel, Inhaltsbeschreibungen und Title-Tags.
  5. Icons nutzen: Durch die Verwendung von Icons sorgen Sie für eine bessere Navigation auf Ihrer Website. Besonders Menschen mit einer Leseschwäche finden sich so besser auf Ihrer Website zurecht.
  6. Eindeutige Buttons: Wenn Sie Buttons und andere Call-to-Actions auf Ihrer Webseite einbauen möchten, sollten Sie auf eine angemessene Größe achten. Zudem müssen Buttons klar und deutlich zu verstehen geben, was bei einem Klick darauf passiert. Verwenden Sie also auch hier eine einfache Sprache. Damit eine Bedienbarkeit nur über die Tastatur möglich ist, sollten sich Buttons, Links und Navigationselemente außerdem visuell fokussieren lassen.
  7. Registrierung und Checkout-Prozesse anpassen: Für eine gute User Experience sollten Sie unbedingt für Übersichtlichkeit sorgen. Vor allem bei der Registrierung und bei Checkout-Prozessen müssen Identifizierungsmethoden, elektronische Signaturen, Formulare und Zahlungsdienste barrierefrei gestaltet werden.

Wenn Sie Ihre Webseite auf Barrierefreiheit testen möchten, finden Sie hier Tools , die von der Web Accessibility Initiative empfohlen werden.

Außerdem finden Sie hier einen Schnelltest von der Stiftung barrierefrei kommunizieren.

Barrierefreiheit: Eine Chance für Online-Shop-Betreiber

Sobald ein internationales Gesetz zur digitalen Barrierefreiheit besteht, haben Webshop-Betreiber ein Jahr Zeit, Ihren Online-Shop anzupassen. Apps müssen innerhalb von 33 Monaten behindertengerecht werden. Wer frühzeitig handelt und für eine gute Barrierefreiheit sorgt, tut gleichzeitig etwas für die Suchmaschinenoptimierung, denn die Barrierefreiheit einer Website wird zukünftig auch vom Google-Algorithmus bewertet. Erfüllt Ihre Webseite also alle Ansprüche in Bezug auf Barrierefreiheit, werden Sie mit einem hohen Ranking von Google belohnt. Zudem sprechen Sie neue Käuferschichten an und können mehr potenzielle Kunden auf Ihre Webseite locken. Auch wenn die Anpassungen Ihres Webauftritts viel Zeit und Aufwand kosten, investieren Sie damit in eine verbesserte Usability für alle Nutzer, egal ob mit oder ohne Behinderung, und können gleichzeitig mehr potenzielle Kunden erreichen. Nutzen Sie also die Chance, die sich Ihnen bietet, und profitieren Sie von einem E-Commerce für alle.

Wenn Sie bisher noch keinen Online-Shop betreiben, finden Sie hier alle wichtigen Informationen, wie Sie einen Online-Shop erstellen.